Fast vier Monate bin ich inzwischen nun schon als Austauschschülerin in den USA. In dieser Zeit hatte ich die Möglichkeit, viele schöne, aber auch herausfordernde Dinge zu erleben. Doch gerade dieseErfahrungen, die sowohl positive als auch negative Seiten zeigen, sind ein wesentlicher Teil eines Austauschs, dessen man sich bewusst sein sollte.
Homecoming
Im Oktober feierte ich meinen ersten Homecoming zusammen mit meinen Freunden. Homecoming ist neben Prom einer der beiden traditionellen Schultänze, die von der Schülervertretung meiner High School organisiert werden. Im Gegensatz zum Prom (vergleichbar mit dem Abiball in Deutschland), der in der Regel am Ende des Schuljahres stattfindet und nur den 11. und 12. Klassen zugänglich ist, findet Homecoming üblicherweise am Anfang des Jahres statt und ist für alle Jahrgangsstufen zugänglich.
Die Woche vor Homecoming ist die sogenannte „Spirit Week“, bei der man sich an jedem Tag der Woche nach einem bestimmten Thema kleidet. Meine Schule hatte die Mottos: Fashion Desaster, Generations, dress as a teacher, Biker vs. Surfer und Spirit Day. Fashion Desaster war mit Abstand der lustigste Tag, es gab viele modisch fragwürdige Kostüme, ein Mädchen hat sich sogar als der Lorax verkleidet. Freitags war Spirit Day, bei dem wir unsere „Mums“ tragen konnten, zusammen mit bemalten Jeans, die unseren Jahrgang angaben. „Homecoming Mums“ sind aufwändige, dekorative Blumenanstecker, die hauptsächlich während der Homecoming-Feierlichkeiten an High-Schools in Texas getragen werden. Die Tradition begann in Missouri, entwickelte sich aber in Texas zu einem Phänomen, bei dem alles größer und auffälliger wurde („the gaudier the better“). Heute ist es eine Tradition, die fast ausschließlich auf Texas beschränkt ist.



Der Ursprung von Homecoming liegt in der Tradition, ehemalige Schüler und Absolventen zu einem jährlichen Ereignis an ihre alte Schule zurückzuholen, das meist mit einem Footballspiel verbunden ist. Daher begann der Abend auch mit dem Homecoming-Footballspiel, bei dem in der Halbzeit die Homecoming Queen und der King bekannt gegeben wurden. Anschließend ging ich mit meinen Freundinnen zum Haus einer Freundin, um uns für den Tanz fertig zu machen. An Homecoming sind kurze Kleider üblich. Danach fuhren wir gemeinsam zu einem Foto Spot, wo wir viele schöne Fotos machten. Daraufhin aßen wir in einem sehr leckeren Restaurant und fuhren schließlich zur Schule für den Tanz. Das Motto war „Beneath the Waves“, daher war alles sehr schön im Unterwasser-Stil dekoriert. Alles in allem war es ein sehr schönes Erlebnis und definitiv ein Highlight meiner bisherigen Zeit hier.
Halloween
Halloween ist einer der bekannten Traditionen in den USA. Bereits Anfang Oktober konnte man schon die ersten Schauerfiguren und Kürbisse vor einigen Häusern finden. Es gibt sogar ganze Geschäfte die nur Halloween-Dinge anbieten. Insgesamt ist Halloween viel weiter verbreitet als in Deutschland. Am Tag selbst habe ich mich verkleidet und bin zusammen mit meinen Gastschwestern Süßigkeiten sammeln gegangen. Eine Sache die genauso wie in Deutschland ist, dass fast nur kleine Kinder sammeln gegangen sind, also sind wir schon etwas herausgestochen, wobei wir auch einige in unserem Alter kennengelernt haben. Nach einer erfolgreichen Sammelaktion sind wir mit vollen Körben zurück zum Haus gegangen.
Sport in den USA
Möglichst vielen Schulclubs beizutreten, ist eine Sache, die ich jedem Austauschschüler empfehlen würde. Ich selbst bin verschiedenen Clubs wie dem Student Council, der National Honor Society, dem Schwimmteam und sogar dem UIL social studies club beigetreten. Der Vorteil von Clubs ist, dass man zum einen natürlich etwas zu tun hat, aber zum anderen auch viele Leute kennenlernen kann. Desto mehr man tut, desto weniger Zeit hat man, um potenzielles Heimweh zu haben.
Teil des Schwimmteams zu sein, bereitet mir wahrscheinlich am meisten Freude. Fünfmal die Woche Training ist Pflicht, und das ist nicht jeden Tag einfach, besonders wenn die Motivation mal fehlt. In Deutschland bin ich ebenfalls in einem Schwimmteam aktiv, allerdings ist de rSport dort nicht direkt an die Schule gebunden, weswegen kein so großer Druck entstanden ist. Viele meiner Teamkameraden sind neben dem Schulschwimmteam gleichzeitig auch außerhalb in einem Schwimmteam außerhalb aktiv. Das bedeutet zweimal am Tag Training plus regelmäßige Wettkämpfe am Wochenende. Eine Freundin, die das durchzieht, erzählte mir, dass sie morgens um 7 Uhr im Wasser ist und erst nach der zweiten Trainingseinheit erst um 8 Uhr abends nach Hause kommt. Als ich das das erste Mal hörte, war ich sehr überrascht, mir zeigt das, wie ernst Sport hier genommen wird und wie viel Engagement viele in den USA hineinstecken. Trotz dessen, dass man nicht immer super motiviert ist, merkt man, dass die vielen Trainingseinheiten etwas bewirken. Ich habe mich seit Beginn der Saison deutlich verbessert, sodass ich nun eventuell sogar Chancen habe, in einer Staffel bei einem großen Wettkampf zu schwimmen.
Unterschiede
Je mehr Zeit ich hier verbringe, desto mehrfallen mir besonders die kleinen Dinge auf, die anders als in Deutschland sind. Natürlich gibt es die offensichtlichen Unterschiede, wie die Offenheit der Menschen, die vielen Flaggen, das viele Fast Food und den großen School Spirit.Dennoch sind es die kleinen Dinge, die mehr und mehr herausstechen.Beispielsweise war ich schon sehr oft einkaufen hier, mir ist aber nieaufgefallen, dass der Einkaufswagen sich nur nach vorne und hinten bewegenkann, die Räder also nicht rotieren können. In Deutschland hätte ich nie daraufgeachtet, jedoch fällt es auf, wenn es dann anders ist.
Jedes Getränk ist gekühlt und/oder geeist,außerdem gibt es viel mehr Wasser in der Toilette als normal. Das Brot ist vielteurer hier und man kann keine richtigen Brötchen oder Brezeln kaufen, wie mansie kennt. Es gibt keine Bäckerei, bei der man sich samstags Brötchen holt, undGeschäfte sind auch sonntags geöffnet. Vor den Fenstern gibt es keineRollläden, nur Jalousien und in jedem Raum ist ein Ventilator an der Decke.Lebensmittel werden kaum im Einkaufszentrum selbst gekauft, sondern lieber perDoor Dash geliefert (jedenfalls war das bei meiner Gastfamilie so). In derSchule bekommt man den Test nicht zurück, nachdem er korrigiert wurde, daherkann man leider auch nur auf Anfrage hinsehen, wo man sich verbessern muss.Außerdem wird jedes einzelne Arbeitsblatt, das man während der Stundebearbeitet, benotet und es gibt keine Epochal Noten. Insgesamt wird in vielenmeiner Unterrichtsfächer nur etwas in den ersten 20 Minuten der Stundetatsächlich etwas gemacht und der Rest ist einfach nur Entspannen. In Deutschlandgibt es in vielen Schulen inzwischen eine Handyregelung, in Texas wurde es indiesem Jahr zum staatlichen Gesetz gemacht, dass man keine Handys während derSchulzeit verwendet. In jeder Küche gibt es einen Müll Zerkleinerer (einesogenannte "garbage disposal") in der Spüle, der den Abfall, der inden Abfluss gelangt, zerkleinert. Alles in allem gibt es viele Unterschiede,die einem vielleicht nicht direkt auf den ersten Blick auffallen.
Gastfamilienwechsel
Mir macht es viel Freude, die großen und auchkleinen Unterschiede immer wieder zu entdecken, dennoch entsteht vor allem durch kulturelle Unterschiede ein großes Konfliktpotenzial. Pro Austauschjahrgang wechseln bis zu 30 Prozent der Austauschschüler mindestens einmal die Gastfamilie, also ist das leider nichts Unübliches. Auf den ersten Blick hört sich das wahrscheinlich viel an, allerdings sollte man beachten, dass manchmal die Unterschiede nicht nur wegen der Kultur, sondern auch wegen verschiedener Sichtweisen einfach zu groß sind, sodass man nach einiger Zeit merkt, dass man nicht zueinander passt. Leider war das bei mir der Fall. Zu viele Missverständnisse haben schließlich dazu geführt, dass ich mich nach meinem dritten Monat in den USA dazu entschied, die Gastfamilie wechseln zu wollen. Auch wenn ich nun gewechselt habe, sollte man seine Gastfamilie nicht einfach aufgeben, nur weil es mal zu einem Konflikt kam, wenn es aber zu oft zu einem kommt und man sich selbst nicht mehr wohlfühlt und die Gespräche nicht helfen, sollte man sich überlegen, ob ein Wechsel nicht doch die bessere Option wäre. Ich selbst habe sehr lang überlegt, denn es sollte keine Entscheidung sein, die man leichtfertig trifft. Gestern, nach knapp einem Monat warten, konnte ich endlich mithilfe meiner supernetten Local Coordinator von meiner Austauschorganisation und einer lieben neuen Gastfamilie umziehen. Trotz dessen, dass meine ersten Monate nicht so verlaufen sind, wie ich es mir vorgestellt hatte, würde ich dennoch jedem empfehlen, einen Austausch zu machen, wenn man die Möglichkeit dazu hat. Organisationen geben sich sehr viel Mühe, ein gutes Match zu finden, und auchwenn es so wie bei mir das erste Mal nicht gepasst hat, bin ich jetzt sehr glücklich mit meiner neuen Gastfamilie. Schlussendlich hatte ich sehr viel Glück und bin zu der Familie einer Freundin aus dem Schwimmen gegangen.
ACL-Festival
Letzten Monat hatte ich die coole Möglichkeit, zu dem ACL-Festival in Austin zu gehen. Es war ein richtig schönes Wochenende, bei dem ich viele meiner bekannten Lieblingskünstler spielen sehen konnte. Das Festival war riesig und es gab mehrere Bühnen, auf denen immer verschiedene Künstler gleichzeitig gespielt haben. Wenn man den einen Künstler also nicht mochte, konnte man einfach zu einer anderen Bühne, die ein gutes Stück entfernt war, gehen.
Aktuell stehe ich vor den Thanksgiving-Ferien, meinen ersten Ferien seit Schulbeginn hier. Außerdem werde ich bald eine Präsentation über Deutschland im Unterricht halten, eine großartige Gelegenheit, die ich dank meines Stipendiums habe. Ich freue mich darauf, demnächst davon berichten zu können!



